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Die Interviewreihe im A.B.S. Blog:
Thorsten Klindworth trifft Klaus Schardt

Krisenstimmungen haben wir in letzter Zeit schon einige erlebt. Die Pandemie stellt Kommunikationsstrategien auf den Kopf, erfordert neue, digitale Dialogkanäle und öffnet aber gleichzeitig den Weg für innovative Social-Media-Projekte und -Aktionen. Doch auch abseits von Corona gibt es Krisen. Krisen, die faktisch jedes Unternehmen treffen können und die auch immer eine kommunikative Komponente beinhalten. Für sie braucht es keinen Virus und auch keine illegalen Geschäftspraktiken oder breitangelegte Mitarbeiterbespitzelung durch das Management. Es reicht schon, wenn ein einzelner Mitarbeiter durch sein Fehlverhalten die Reputation des Unternehmens aufs Spiel setzt. Wenn ein IT-Ausfall die Arbeitsprozesse lahmlegt, eine wirtschaftliche Schieflage Entlassungen nötig macht oder ein Lieferant mit krummen Methoden die Qualität der Wertschöpfungskette gefährdet. Überspitzt formuliert: Die Krise ist für alle da! Und die Haltung „Das betrifft mich doch nicht“ kann man im Zeitalter der permanenten Omnikanal-Kommunikation schon als grob fahrlässig bezeichnen. Auf die richtige Krisenkommnukation kommt es an.

Eine professionelle Krisenprävention ist die Versicherung des Kommunikationsetats

Doch wie kann man sich auf eine Krise kommunikativ vorbereiten? Wie muss man sich ihr im Falle der Fälle stellen? Was zeichnet eine gute Krisenkommunikation aus? Darüber haben wir mit Klaus Schardt von der Kommunikationsagentur KONTEXT gesprochen.

Thorsten Klindworth: Bringen wir es doch mal auf den Punkt: Was macht eine Krise zur Krise?

Klaus Schardt: Eine Krise kommt immer ungeplant und ungewollt, ist komplex, verläuft volatil und trifft in der Regel auf ein hohes Interesse in der Öffentlichkeit. Schnell stehen dann Image und Glaubwürdigkeit des Unternehmens auf dem Spiel. Ob selbiges einen nachhaltigen Schaden nimmt, entscheidet mal der Zufall – wenn neue Skandale die mediale Aufmerksamkeit abgreifen – und mal die Zeit. Der Mensch vergisst bekanntermaßen schnell. Aber auf diese unplanbaren und unsicheren Faktoren möchte sich eigentlich keiner wirklich verlassen.

Thorsten Klindworth: Was raten Sie in diesem Fall?

Klaus Schardt: Dass man sich schon in ruhigen Zeiten auf mögliche Krisen vorbereitet – vor allem auch kommunikativ. Krisenprävention sollte ein fester Bestandteil der Kommunikationsstrategie sein. Das kann im Fall der Fälle schnell zur Versicherung des eigenen Kommunikationsetats werden. Das Gute dabei ist: Es gibt umfangreiches Handwerkszeug für eine professionelle Krisenkommunikation! Es gibt theoretisches Wissen, das man sich aneignen, Tools, die man implementieren, und kommunikative Methoden, die man trainieren kann.

Thorsten Klindworth: Wie gehen Sie an diese Aufgabe ran?

Klaus Schardt: Am Anfang steht die kritische Bestandsaufnahme: Welche Themen im Unternehmen sind krisensensibel? Wie groß ist deren Wahrscheinlichkeit, wie hoch wäre die öffentliche Relevanz? Im zweiten Schritt richtet sich der Blick intensiv auf die Zielgruppen: Mit wem steht das Unternehmen in Kontakt? Hat man die sogenannten Stakeholder identifiziert, geht es darum, sie zu priorisieren und zu charakterisieren. So muss in einer Krise zum Beispiel die interne Kommunikation IMMER vor der externen stehen. Mitarbeiter haben andere kommunikative Bedürfnisse als Medien oder Behörden. Diese Bedürfnisse muss man kennen, um im Ernstfall zielgruppenorientiert zu agieren.

Das Krisenhandbuch in Theorie…

Thorsten Klindworth: Eine Analyse ist sicherlich wichtig, wie geht es dann aber weiter?

Klaus Schardt: Dann geht es an das Aufsetzen von Prozessen und die Definition von Zuständigkeiten. Welche Personen bilden einen Krisenstab, welche fachlichen Berater, intern und extern, stehen dem Stab zur Verfügung und wer ist der Sprecher nach außen? Welche Kommunikationskanäle gibt es im oder vom Unternehmen, wer übernimmt das Medienmonitoring, wie gestaltet sich die Meldekette? In dieser Phase sollten zudem präventiv Kontaktdatenlisten der wichtigsten Zielgruppen angelegt werden, um im Notfall nicht wertvolle Zeit zu verlieren. All diese Informationen fließen abschließend in das Krisenkommunikations-Handbuch – eine Art interner Leitfaden und Ratgeber für die Krise. Wichtig dabei: Das Handbuch sollte kompakt gehalten werden, für alle relevanten Personen im Unternehmen zugänglich sein und regelmäßig auf Aktualität geprüft werden. Und dann kommen wir zu einem der wichtigsten Instrumente: dem Krisenkommunikationsplan. Dieser Plan ist quasi das Drehbuch für einen Film, dessen Ende man als Autor nicht kennt. Hat man die Bestandteile des Plans vorher verinnerlicht, kann man während einer Krise eine klare und strukturierte Kommunikationsstrategie erarbeiten. Darin werden beispielsweise die Faktenlage protokolliert, Kernbotschaften definiert und Szenarien inklusive Maßnahmen entwickelt. Gleichzeitig dient der Krisenkommunikationsplan auch als Dokumentation der Aktivitäten – was durchaus relevant sein könnte, falls es im Nachgang zu juristischen oder versicherungstechnischen Abstimmungen kommt.

… und Praxis

Thorsten Klindworth: Klingt alles etwas sehr theoretisch?

Klaus Schardt: Ist es zu einem bestimmten Teil auch. Doch dieser Part ist sehr wichtig. Sie haben aber natürlich recht. Das Krisenkommunikations-Handbuch und die Bestandteile des Krisenkommunikationsplans reichen noch nicht – denn keiner kann Auto fahren, nur weil er die Verkehrsregeln kennt. Was braucht es, um sicher, reaktionsschnell und souverän zu werden? Training! Training! Training! Und dafür gibt es die wunderbare Möglichkeit des Krisen-Planspiels. Man nehme einen für das Unternehmen realistischen Krisenfall, skizziert einen möglichen Verlauf mit spontan eintretenden Ereignissen wie zum Beispiel Medienanfragen, versammelt alle relevanten Personen und probt den Ernstfall. So zeigt sich schnell, ob Zuständigkeiten klar verteilt sind, ob Abläufe gut funktionieren und ob die definierten Prozesse auch in der Praxis Bestand haben. Unter Zeitdruck alle wichtigen Zielgruppen bedienen, Presse-Statements verfassen, die Geschäftsführung einbeziehen und vielleicht sogar vor der Kamera Stellung beziehen? Ein Planspiel hilft dabei, Souveränität für den Ernstfall zu gewinnen und gleichzeitig mögliches Optimierungspotenzial aufzudecken. Denn am Ende steht immer – wie im Übrigen auch nach der Krise – die Evaluation. Wie gut und schnell haben sich die Teilnehmer organisiert, welche Maßnahmen wurden ergriffen und wie haben sie gewirkt, wurde die festgelegte Kommunikationsstrategie eingehalten? Daraus können wichtige Erkenntnisse für die weitere Krisenprävention gezogen werden, die man sonst im Ernstfall vielleicht teuer bezahlen würde. Krisenmanagement ist ein stets lernendes Projekt und damit fängt man am besten schon vor der Krise an!

Die Rolle der sozialen Medien in der Krisenkommunikation

Thorsten Klindworth: Haben die Sozialen Medien mit ihrer Schnelligkeit die Krisenkommunikation nicht auch erheblich beeinflusst?

Klaus Schardt: Natürlich, deshalb sollte man in der Präventionsphase besonders auf die Sozialen Medien und ihre ganz eigenen Kommunikationsregeln ein wichtiges Augenmerk richten – sogar für den Fall, dass man als Unternehmen dort gar nicht aktiv vertreten ist. Früher war es vielleicht „nur“ ein negativer Leserbrief in der Zeitung, eine wütende Mail an den Vorstand oder der berühmte Flurfunk zwischen den Mitarbeitern, durch die sich Ärger, Angst oder Unwissenheit Ausdruck verliehen haben. Heute werden diese Emotionen in aller Öffentlichkeit geteilt, verbreitet und kommentiert. Und zwar in einer Geschwindigkeit, die keine Zeit für lange Überlegungen lässt. Nicht jeder Beitrag auf Facebook, Twitter und Co. erfordert eine Reaktion, aber auf jeden Fall Aufmerksamkeit. Dann gilt es, schnell abzuwägen: Lässt man die Aussage so stehen, holt man die Kommunikation in den nicht-öffentlichen Bereich, beispielsweise durch eine private Nachricht, oder äußert man sich, vielleicht sogar in angemessen humorvoller Art.

Ihr Tipp für KMU: Worauf kommt es wirklich an?

Thorsten Klindworth: Können Sie zum Schluss unseres Gesprächs nochmals die wichtigsten Punkte der Krisenkommunikation zusammenfassen?

Klaus Schardt: Das Wichtigste ist, klar, konsistent und schnell zu kommunizieren – die Stakeholder brauchen Orientierung! Diese Aufgabe liegt ganz klar beim Unternehmen. Denn es ist immer besser, das Schiff der Kommunikation selbst durch die unruhige See zu lenken, als sich von tosenden Wellen treiben zu lassen. Eine professionelle Krisenprävention ist dann das Navigationssystem!

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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Zur Person

Klaus Schardt ist studierter Politologie, gelernter Journalist und praktizierender Kommunikationsberater – und gestaltet seit mehr als 25 Jahren mit seiner Agentur KONTEXT die Kommunikationsarbeit für Unternehmen, Verbände und Institutionen. Darunter sind große Konzerne wie Schwan-STABILO oder ZF Friedrichshafen, aber auch viele mittlere und kleine Unternehmen aller Branchen.

 

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