Cash is a fact, profit is an opinion. Diese Losung gilt im 21. Jahrhundert mehr denn je. Nicht nur vor dem Hintergrund der Pandemie und einer restriktiveren Kreditvergabepolitik der Banken gilt es, die Liquidität zu jedem Zeitpunkt im Unternehmen zu sichern. Doch gerade im Bereich von mittelgroßen Unternehmen zeichnet sich ein Engpass und somit eine Problemsituation ab. Ein probates, aber trotz kontinuierlich steigender Nutzerzahlen immer noch wenig genutztes Mittel zur Liquiditätssicherung stellt das Factoring dar. Um einen tieferen Einblick in die Marktsituation, die Entwicklung und die Zukunft von Factoring als Baustein der Mittelstandsfinanzierung zu bekommen, hat sich Thorsten Klindworth, CEO der A.B.S. Global Factoring AG, mit Joachim Secker, ehemaligem CEO der Targo Commercial Finance AG (ehem. GE Capital und Heller Bank AG), getroffen und die spannende Einschätzung des erfahrenen Experten erfragt.
Thorsten Klindworth: Herr Secker, betrachtet man die deutsche Factoring-Szene, sind Sie ein langjähriger Insider. Sie waren CEO des größten und erfolgreichsten Factoring- Anbieters. Inzwischen sind Sie seit 2 ½ Jahren im Ruhestand. Verfolgen Sie die Factoring-Branche auch weiterhin?
Joachim Secker: Na klar! Schon allein ob meiner Funktion als Ehrenpräsident des Deutschen Factoring Verbandes halte ich mich informiert, was sich im Geschäft so tut. Neben Lektüre halte ich auch Kontakt zum Verband und einigen Branchenkolleginnen und Kollegen. Natürlich interessiert es mich, wie sich die Branche und das Produkt, und natürlich vor allem auch die Menschen, die mich lange begleitet haben, entwickeln.
Thorsten Klindworth: Sie haben ja in Ihrer aktiven Zeit auch einige Krisen und Entwicklungen miterlebt. Aktuell stecken wir mitten in so einer Krise und alle fragen sich: Was bedeutet das für mein Geschäftsmodell? Wie sehen Sie denn die Zukunft von Factoring vor dem Hintergrund der Pandemie und den zunehmenden Schwierigkeiten im Risikotransfermarkt, z.B. durch geringere Zeichnungsquoten in der Warenkreditversicherung, KFW-Mittel, schlechtere Bonitäten im Mittelstand und den durch den Lockdown durchaus auch gestiegenen Risiken?
Joachim Secker: Die Zukunft von Factoring sehe ich weiter sehr positiv. Wir haben gerade mal die 8 % -Anteil vom BIP überschritten. Das ist zwar schön und bemerkenswert, weil Factoring jetzt von den Unternehmen wirklich wahrgenommen wird. Marktsättigung sehe ich da aber noch lange nicht.
Wie alle Finanzierungsformen der Betriebsmittel steht natürlich auch Factoring in der momentanen Pandemie-Situation vor einem sehr herausfordernden Umfeld. Ich bin zuversichtlich, dass es mit politischer Hilfe immer wieder zu Lösungen hinsichtlich der Warenkreditversicherungsdeckungen kommen wird. Da sind die Handelnden alle in einer großen Verantwortung und ich denke, dieser sind sie sich auch bewusst. Wer in dieser Zeit sein Geschäft handwerklich sauber, also selbstliquidierend, konzipiert, kann den Herausforderungen etwas gelassener entgegensehen als andere.
Das ist ja das Schöne an Factoring, dass es bei guter Strukturierung auch noch in den anspruchsvollsten Fällen zur Anwendung kommen kann. Das hat manchem Mittelständler in rauer See schon beim Überleben geholfen und da gibt es ja auch genügend Fälle, die in der Öffentlichkeit bereits erzählt wurden.
Thorsten Klindworth: Neben den Banken und bankenunabhängigen etablierten Factoring-Anbietern sind in den letzten Jahren verstärkt FinTechs auf den Markt gekommen und haben teilweise auch neue Geschäftsmodelle wie z.B. Dynamic Discounting entwickelt. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Joachim Secker: Aufgrund der zunehmenden Bekanntheit und Nachfrage nach Factoring ist es nicht allzu verwunderlich, dass auch FinTechs sich für dieses Produkt interessiert haben und mit ihren Versionen davon an den Start gegangen sind. Ich hatte das Vergnügen, in meiner aktiven Zeit einige dieser FinTechs von Bankenseite aus mit Finanzierungen zu unterstützen und auch in Gremien zu begleiten. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass mich die gesamte Entwicklung hier ein wenig enttäuscht. Der Durchbruch, so wie ich ihn verstehen würde, also einen Anbieter aufzubauen, der wesentliche Marktanteile halten kann, ist bisher nicht geglückt. Da gibt es sicherlich viele Gründe, warum das so ist. Die Komplexität von Factoring bei all seiner grundsätzlichen Einfachheit, spielt sicherlich eine Rolle dabei. Und natürlich machen die etablierten Anbieter mit ihren Online-Angeboten und Kommunikationsplattformen einfach auch einen guten Job, was es für die FinTechs dann eben auch nicht so einfach macht, hier einzubrechen. Aber auch diese Entwicklung verfolge ich weiterhin mit großem Interesse.
Thorsten Klindworth: Bei allen positiven Erfolgen von Factoring muss man ehrlicherweise auch zugeben, dass dieses Finanzierungsinstrument zuletzt hier und da auch in die Negativschlagzeilen geraten ist. AvP, Wirecard, Greensill… wie ist denn Ihre Sichtweise auf das Thema Factoring & Regulatorik in der Zukunft?
Joachim Secker: Die genannten Beispiele sind schlimm für die Factoring Industrie. Natürlich gibt es kriminelle Energie auch in anderen Bereichen, aber für die weitere regulatorische Beurteilung des Produktes Factoring sind Vorfälle wie bei AvP, Greensill oder auch Wirecard natürlich nicht zuträglich. Es besteht hier einfach die Gefahr, dass in der Beurteilung durch die Allgemeinheit nicht mehr unterschieden wird oder auch unterschieden werden kann, zwischen den speziellen Geschäftsmodellen dieser Anbieter und dem klassischen Mittelstands-Factoring mit all seinen Vorzügen der Kunden- und Debitorenstreuung.
Erste Maßnahmen wie die Geschäftsführungsregelung geben leider einen Fingerzeig, wo die Reise hingehen könnte. Es wird mehr Bürokratie entstehen mit den daran hängenden Kosten. Ob das dann tatsächlich zu einer Qualitätsverbesserung der Anbieter beiträgt, lasse ich an dieser Stelle mal offen. Je kleiner ein Anbieter ist, umso herausfordernder wird es in der Zukunft werden, allen regulatorischen Anforderungen noch gerecht werden zu können. Auch der europäische Kontext hilft hier leider gar nicht, da wir ja in Deutschland eines der wenigen Länder sind, in dem das Produkt noch nicht vollständig reguliert ist.
Thorsten Klindworth: Pandemie und Regulatorik werden mit Sicherheit Änderungen für die Finanzierungslandschaft mit sich bringen. Wie würden Sie denn die Marktentwicklung von Factoring in den nächsten Jahren generell einschätzen?
Joachim Secker: Trotz der genannten Herausforderungen, glaube ich, muss den Anbietern nicht Bange sein. Wir sehen, dass der Finanzierungsmarkt sich weiter verändert. Die großen Banken sind sich ihrer Rolle hinsichtlich des Mittelstandes mal wieder nicht sicher und wechseln Strategien. Das schafft auch weiterhin den Bedarf für den Mittelständler, eine für ihn sichere und berechenbare Finanzierungsform im Unternehmen zu etablieren. Das ist für mich einer der Hauptgründe des Erfolges von Factoring in den zurückliegenden Jahren und gleichzeitig eine hervorragende Basis für den Erfolg in der Zukunft. Da bin ich mir einigermaßen sicher.
Eine andere Frage wäre, wie erfolgreich das Produkt in Hinsicht auf Rentabilität zu beurteilen ist. Mit der zunehmenden Wettbewerbsintensität, durch fallende Stückkosten dank Digitalisierung, durch neue Marktteilnehmer und das Entdecken von forderungsbasierten Finanzierungsmodellen durch die ein oder andere Großbank hat leider auch eine Entwicklung des Factoring Angebotes hin zur Commodity eingesetzt. Ich beobachte auch hier mit Interesse weiter, ob man so nachhaltig erfolgreich sein kann. Zweifel dürften angebracht sein. Bisher jedenfalls sind alle „Helden“ von ihrem eigenen Mut eingeholt worden und jung und einsam gestorben. Qualität hat eben ihren Preis. Und Qualität hat Factoring, sonst wäre es in diesem Finanzierungsmarkt, der derzeit von nicht vorhandenen Zinsen geprägt ist, nicht so erfolgreich.
Thorsten Klindworth: Vielen Dank für diese spannenden Ein- und Ausblicke.
Joachim Secker trat 1980 als gelernter Industriekaufmann in die Heller Factoring Bank AG als Junior Vertriebsmitarbeiter ein und arbeitete an verschiedenen Positionen dieses Unternehmens, bis er 1999 Vorsitzender des Vorstands wurde. Nach dem Verkauf der Heller Factoring Bank an GE Capital wurde er CEO GE Capital Germany Leasing , Factoring, Fleet. Im Jahr 2016 wurde die Gruppe an verschiedene Käufer veräußert. Der Bereich Factoring und Equipment Leasing ging an Credit Mutuel und wurde in Targo Commercial Finance unbenannt. Nach 40 Jahren Tätigkeit in führenden Positionen in der Factoring-Welt ging Joachim Secker 2019 in den Ruhestand.
Er hält diverse Aufsichtsratsmandate in der Industrie und im Finanzbereich, und ist bzw. war als Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Factoring Verbandes und als Mitglied im Vorstand Bankenverband Rheinland-Pfalz aktiv.
Lesen Sie hier einige reale Beispielfälle aus der Praxis:
Case Study: So ermöglicht Factoring Investitionen in Innovationen
Case Study: So unterstützt Factoring den M+A-Prozess
Case Study: So schafft Factoring Liquidität für Industriebetriebe
Oder werfen Sie einen Blick in unsere Referenzen!