Insolvenz in Eigenverwaltung – dieser Begriff ist vielen von uns kürzlich durch die medial präsenten Insolvenzverfahren von Adler und Hussel begegnet. Und zwar als ein Insolvenzverfahren, mit dem die betroffenen Unternehmen wieder auf die Erfolgsspur zurückkommen wollen. Doch was hat es damit auf sich? Worin liegen die Vor- und Nachteile einer Insolvenz im Eigenverwaltung? Um hier ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, hat Eva Sartorius, Mitglied der Geschäftsleitung der A.B.S. Global Factoring AG, Rechtsanwältin Nadja Raiß, Kanzlei K+L Gates Frankfurt a.M., zum Interview eingeladen, die uns alles Wissenswerte rund um die Eigenverwaltung erläutert.
Nadja Raiss: Das StaRUG ist kein Insolvenzverfahren und bietet dem Unternehmen die Möglichkeit einer außergerichtlichen Sanierung mit einer Mehrheitsentscheidung seiner Gläubiger. Dies bedeutet, ein Unternehmen kann sich mit seinen Gläubigern auf einen Restrukturierungsplan einigen, der die bestehenden Verbindlichkeiten zum Zwecke der Sanierung regelt. So ist ein Forderungsverzicht, die Verlängerung von Kreditlaufzeiten, Zinsanpassungen und vieles mehr denbar. Ziel des Restrukturierungsplanes ist der Erhalt des Unternehmens und eine angemessene Behandlung der Gläubigerforderungen. Mit dem Restrukturierungsplan kann auch in Sicherungsrechte der Gläubiger eingegriffen werden. Das Unternehmen wählt hierbei die Gläubiger aus, deren Forderungen Teil des Restrukturierungsplanes werden sollen. Es muss nicht in alle Gläubigerforderungen eingreifen, sondern kann nach sachgerechten Kriterien aussuchen, welche Forderungen vom Restrukturierungsplan betroffen sein sollen. Über diesen Restrukturierungsplan stimmen dann die Gläubiger ab. Sie sehen, es handelt sich um eine Art Vergleich, dem die Gläubiger zustimmen müssen. Ausgenommen sind Forderungen der Arbeitnehmer und des Pensionssicherungsvereins.
Eine Eigenverwaltung hingegen bietet mehr Möglichkeiten, ist daher auch ein gerichtliches Verfahren. Im Rahmen einer Eigenverwaltung können Sie in die Rechte der Arbeitnehmer (über einen Arbeitsplatzabbau) oder auch anderer Vertragsverhältnisse wie beispielweise in bestehende Mietverhältnisse (durch die Möglichkeit der Kündigung mit einer Dreimonatsfrist) eingreifen. Es handelt sich aber auch um ein Insolvenzverfahren, das teilweise immernoch als Stigma gesehen wird. Viele verstehen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auch in Eigenverwaltung als Scheitern und nicht als Chance auf eine Sanierung.
War es bisher bei gut vorbereiteten Eigenverwaltungsverfahren gängige Praxis, dass bereits bei Antragstellung eine Finanzplanung zumindest für den Zeitraum des vorläufigen Verfahrens vorlag, ist dies nunmehr als Anforderung an einen Insolvenzantrag auch im Gesetz wiederzufinden. Die neue Regelung geht sogar darüber hinaus und formuliert einzelne Vorgaben an die dem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung beizufügenden Anlagen. So ist eine Eigenverwaltungsplanung vorzulegen, welche neben
Weiter hat das beantragende Unternehmen zu erklären, ob und in welcher Höhe es sich mit der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, Pensionszusagen oder dem Steuerschuldverhältnis, gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten in Verzug befindet, ob in den letzten drei Jahren Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach der InsO oder dem StaRUG angeordnet wurden und ob er in den letzten drei Geschäftsjahren in Bezug auf seine Jahresabschlüsse seinen Offenlegungspflichten nach dem Handelsgesetzbuch nachgekommen ist.
Sollte das beantragende Unternehmen bei diesen zwingenden Zusatzangaben Mängel aufweisen, kann die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (und damit impliziert die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung) nur dann erfolgen, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass das beantragende Unternehmen bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Gleiches gilt, wenn die Eigenverwaltung die Kosten eines Regelverfahrens deutlich übersteigt und wenn der vorzulegende Finanzplan eine Liquiditätslücke aufweist. Hier wurden somit die Anforderungen an die Eigenverwaltung deutlich erhöht.
War es bisher (nach zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen) gängige Praxis, dass in Eigenverwaltungsverfahren die Möglichkeit der Begründung von Masseverbindlichkeiten besteht, so hat dies nun auch den Weg ins Gesetz gefunden. Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass das beantragende Unternehmen Masseverbindlichkeiten begründet.
Ebenfalls erstmalig gesetzlich geregelt wird ein Anspruch des beantragenden Unternehmens auf ein Vorgespräch bei dem für ihn zuständigen Insolvenzgericht. Danach hat das beantragende Unternehmen, wenn es gewisse Voraussetzungen erfüllt, einen Anspruch auf ein Vorgespräch, um die verfahrensrelevanten Themen,
mit dem zuständigen Richter zu besprechen. Bisher wurde dies (mangels Rechtsanspruch) von den einzelnen Gerichten unterschiedlich gehandhabt. Oftmals hat ein solches Vorgespräch erhebliche Auswirkungen auf das Verfahren und die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Gericht.
Eine Änderung des Gesetzes erfolgt auch bei der Insolvenzantragspflicht, den sich daraus ergebenden Zahlungsverboten sowie bei der Haftung des Geschäftsführers hierfür. Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, ist der Insolvenzantrag nunmehr ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Bei der Überschuldung als Insolvenzgrund wird damit der Zeitraum für den Antrag auf sechs Wochen erweitert. Dies soll dem beantragenden Unternehmen die Möglichkeit geben, laufende Sanierungsbemühungen erfolgreich zum Abschluss zu bringen oder auch eine Sanierung nach dem StaRUG oder eine Eigenverwaltung vorzubereiten.
Die im geltenden Recht auf die gesellschaftsrechtlichen Kodifikationen verteilten Regelungen zu den Zahlungsverboten werden nun zu einer allgemeinen Vorschrift zusammengefasst. Gleichzeitig erfolgt eine Abweichung von der hierzu ergangenen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes: Zahlungen innerhalb der Höchstzeiträume begründen dann keine Haftung der Geschäftsleiter, wenn sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich waren und solange die antragspflichtigen Geschäftsführer Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur ordnungsgemäßen Vorbereitung des Insolvenzantrages betrieben haben.
Gerade im Insolvenzszenario ist die künftige Unternehmensfinanzierung der entscheidende Punkt für die Sanierung. Hier hat insbesondere eine Factoring-Finanzierung großes Potential, das vielen Unternehmen noch gar nicht so bekannt ist. Um die Geschäfte fortführen zu können, müssen weiterhin Lieferungen und Leistungen erbracht werden können. Diese Assets können direkt in die Finanzierung eingebracht werden und stehen die Unternehmen als frische Liquidität zur Verfügung. Somit können die finanziellen Spielräume geschaffen werden, die den Turnaround ermöglichen.
Eva Sartorius: „Gerade, wenn die Beziehung zur Hausbank als großer Gläubiger schwierig geworden ist, leistet ein bankenunabhängiges Finanzierungskonzept wertvolle Unterstützung für den Neustart. Mit A.B.S. Factoring konnten wir schon oft den Hebel umlegen. In unserem Blog haben wir auch weitere Empfehlungen für Sie zusammengestellt.“
Nadja Raiß ist Rechtsanwältin bei der international tätigen Kanzlei K&L Gates. Sie ist seit über 15 Jahren im Bereich Restrukturierung und Insolvenzrecht tätig. Sie wird bei zahlreichen Gerichten als Insolvenzverwalterin bestellt und berät vorwiegend Unternehmen in Krisensituationen, hier insbesondere bei der Vorbereitung und Durchführung von Eigenverwaltungsverfahren. Mit Inkrafttreten des StaRUG ist Frau Raiß auch als Beraterin bei der Vorbereitung und Durchführung von StaRUG-Verfahren tätig.
Sehen Sie hier einen realen Beispielfall aus der Praxis:
Factoring in der Restrukturierung
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