Ja, es gibt ein geschlechtsspezifisches Gefälle bei der Besetzung von Führungspositionen in der Finanzindustrie. Kaum ein Wirtschaftszweig verzichtet so stark auf das Talent eines Geschlechts wie diese Branche. Und die Tatsache, dass junge Frauen in Deutschland, die gerade frisch ihren Abschluss in den Händen halten, oft eher weniger Lust auf die Finanzbranche haben und Unternehmen aus diesem Sektor als Arbeitgeber meiden, ist heute auch kein Geheimnis mehr. Das Problem: ein typisches Männerterritorium. Und das, obwohl nach den Worten von IWF-Chefin Christine Lagarde Unternehmen mit Frauen in Verantwortung höhere Renditen erwirtschaften.
Dass sich der weibliche Nachwuchs von Jobs im Finanzmanagement eher fernhält und die Branche mit einem kritischen Auge betrachtet, bestätigt auch eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): 2017 leiteten in den 100 größten deutschen Banken über 91 % Männer die Geschäftsführung. Sprich: Nur knapp neun Prozent Frauen befinden sich in den oberen Etagen. Die tatsächlichen Zahlen sprechen also für sich.
Zwar gibt es noch zahlreiche andere männerdominierte Berufsfelder, in denen der Frauenanteil – trotz gesetzlicher Frauenquote – eher gering ausfällt, doch warum Studentinnen gerade um die Finanzindustrie einen großen Bogen machen, das erklärt eine Studie der Universität Mannheim, die dem Handelsblatt vorliegt. Ein Grund: Die Sparte käme einem „Haifischbecken“ gleich, da sie im Sinne einer gesunden Work-Life-Balance eher unterdurchschnittlich abschneidet – zu unmoralisch, kaum familienfreundlich und zu männerlastig, so lauten die Klischees.
Warum wir mit diesen Vorstellungen nun aufräumen wollen und welche Chancen auf junge Frauen in der Finanzbranche warten, beantworten wir im folgenden Interview mit Eva Sartorius, die als weibliche Führungskraft in der Geschäftsleitung der A.B.S. Global Factoring AG diese Hindernisse überwindet. Sie gibt einen Einblick in ihre Erfahrungen und Ratschläge für andere Frauen, die es an die Spitze schaffen wollen.
Mich hat schon immer die Kombination aus dem Umgang mit Menschen einerseits und Zahlen andererseits fasziniert. Zudem war mir ein vielseitiges Berufsbild wichtig. Denn mir war klar, ich brauche ein Umfeld, das mir immer wieder Neues zu bieten hat.
Das hat sicherlich mit der Finanzmarktkrise zu tun. Noch immer leidet die ganze Branche unter wenigen schwarzen Schafen, die das Image der Finanzindustrie, und damit auch die öffentliche Wahrnehmung, stark beschädigt haben. Auch althergebrachte Traditionen und Hierarchien in einigen Instituten schrecken ab und auf die ein oder anderen Absolventin wirken wahrscheinlich die typischen Bankmitarbeiter in ihren Anzügen und Kostümen wenig agil und individuell. Doch glauben Sie mir, der Schein trügt.
Alltag? Jeder Tag ist anders. In meiner Position begleite ich die gesamte Wertschöpfungskette unserer Branche. Vom „Wareneinkauf“ (der Refinanzierung) bis zur Finanzierung unserer Kunden. In größeren Unternehmen ist man häufiger begrenzt auf ein Spezialgebiet. Ich war hingegen schon immer sehr gerne die Generalistin mit gutem Expertenwissen. Daher gibt es Tage, an denen ich Finanzierungsverträge mit Banken verhandle, im Anschluss Marketingmaßnahmen bespreche und dann im Kundengespräch Factoring als Finanzierungslösung in die Gesamtfinanzierung eines Unternehmens einbaue. Langeweile kenne ich also nicht. Ich mag Herausforderungen.
Die A.B.S. ist ein inhabergeführtes Unternehmen und keine klassische Bank. Hier werden schnelle und flexible Entscheidungswege gelebt. Davon profitieren unsere Kunden und Geschäftspartner aber auch wir selbst. Unternehmerisches Handeln steht über allem. Zudem gibt es eine Werteorientierung, die meiner eigenen entspricht und die gerade in Zeiten der Digitalisierung immer wichtiger wird. Auch die internationale Ausrichtung gefällt mir – wir pflegen einen engen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen in den Tochtergesellschaften und erkennen frühzeitig wichtige Trends.
Aus meiner Sicht ist ein Umdenken in der Männerwelt, die noch dominiert, erforderlich. Denn Frauen sind zwar anders, aber diese Andersartigkeit ist keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung. Stichwort: Diversity. Frauen müssen immer noch stärker den Spagat zwischen Familie und Beruf bewerkstelligen. Hier wären flexiblere Arbeitszeitmodelle oder Jobsharing auch in Führungspositionen wichtige Instrumente. Hier sind Männer leider immer noch sehr oft der Meinung, dass das nicht geht.
Es ist interessant, dass es Studien gibt, die klar aufzeigen, dass Unternehmen, die von Frauen (mit-) geführt werden, erfolgreicher sind. Daher ist es bedauerlich, dass viele Unternehmen diese Chance vergeben.
Verfolgen Sie Ihre eigenen Ziele und stehen Sie nach Rückschlägen einfach wieder auf. Auf keinen Fall sollten Frauen versuchen, der „bessere“ Mann zu sein. Das gilt aber nicht nur im Finanzbereich.
Eva Sartorius ist seit 2016 Mitglied der Geschäftsleitung bei der A.B.S. Global Factoring AG. Zuvor begleitete sie in Ihrer über 25-jährigen Berufserfahrung unterschiedliche Führungspositionen in der Finanzwelt. Sie ist überzeugt davon, dass es Leidenschaft braucht, um erfolgreich zu sein. Wichtig ist für sie, ihre Erfahrungen weiterzugeben und (jüngere) Menschen zu motivieren, Ihren Weg zu gehen. Dabei würde sie gerne mehr Frauen in Führungspositionen sehen. Frauennetzwerke sind hier eine gute Basis.