Seit dem Steuervereinfachungsgesetz im Jahr 2011 ist die E-Rechnung der Rechnung im Papierformat gleichgestellt. Eine elektronische Rechnung (E-Rechnung) ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format (meist PDF) ausgestellt und empfangen wird. Die Rechnung wird demnach nicht per Post, sondern zeitsparender und kostengünstig via E-Mail versendet. Sie gilt allerdings nur unter der Voraussetzung als Rechnung, wenn die Echtheit ihrer Herkunft, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit gewährleistet sind. Wir haben mit Dr. Donovan Pfaff über die Vor- und Nachteile für KMU gesprochen.
Eva Sartorius: Herr Dr. Pfaff, welche Bedeutung hat die E-Rechnung für mittelständische Unternehmen in der aktuellen Situation?
Dr. Donovan Pfaff: Die elektronische Rechnung ist ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierung für den Mittelstand. Eine elektronische Rechnung läuft in der Regel durch das gesamte Unternehmen – und ohne eine Rechnungsstellung mangelt es an Liquidität. Gerade im Rahmen der aktuellen Krise hat sich gezeigt, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten hatten, Rechnungen freizugeben und Rechnungen zu stellen. Dies hat sich im Home Office als große Herausforderung erwiesen. Wir müssen häufig erst zu unserem Glück gezwungen werden, durch die Einführung der E-Rechnungspflicht für den Bund zum 27.11.2020 und die Erfahrungen im Rahmen des Lock-Down erkennen wir einen starken Anstieg der Nachfrage für die Digitalisierung. Gerade für die Liquiditätssicherung stellt die elektronische Rechnung ein entscheidendes Glied dar und ermöglicht genaue Vorhersagen und Cash Flow Forecasts.
Eva Sartorius: Welche Vorteile bietet die E-Rechnung konkret?
Dr. Donovan Pfaff: Die Einführung der elektronischen Rechnung bietet enorme Potenziale. Zunächst wird immer das Argument von Kosteneinsparungen genannt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Portokosten im Ausgang oder Digitalisierungskosten im Eingang sind. Daneben fallen einige der Bearbeitungsschritte weg oder können nahezu vollständig automatisiert werden. Wir haben einen Kunden, bei dem rund 80 Prozent der Eingangsrechnungen durch einen Abgleich mit Bestellungen und der Wareneingangsbuchung nahezu „dunkel“ durchlaufen. Aus unserer Sicht sind dies aber nur sekundäre Effekte einer Einführung. Die Mitarbeiter werden weiterhin für wertschöpfende Tätigkeiten in den Prozessen benötigt. Einen ersten Überblick über die Potenziale finden Sie in unserem Onlinekalkulator unter www.bonpago.de/e-invoice-kalkulator.
Die Effizienzgewinne wirken den Kapazitätsausweitungen und der zunehmenden Komplexität entgegen. Die Einführung der E-Rechnung ist außerdem umweltfreundlich und damit nachhaltig – dies wird immer wichtiger im heutigen Geschäftsleben. So haben wir beispielsweise in unseren Projekten Paletten an Papier eingespart. Denken Sie hier bitte nicht nur an die Rechnung selbst, sondern auch an die zahlreichen Kopien, die gerade hinter Ihnen im Schrank lauern. Aus diesem Grund pflanzen wir für jedes erfolgreiche Projekt einen Olivenbaum in Mittelitalien (www.casa-dottore.de).
Der entscheidende Punkt für die Einführung der elektronischen Rechnung ist die Qualität, Transparenz und die damit verbundene Liquidität für Unternehmen. Unternehmen können durch schnellere Zahlungen der Kunden ihren Cashflow verbessern und ihre Liquidität nachhaltig sicherstellen. Auch können sie von der gesteigerten Datenqualität durch den höheren Automatisierungsgrad profitieren, da fehleranfällige manuelle Eingaben überflüssig oder sehr früh im Prozess erkannt werden. Dadurch werden lange Rückfragen und Anpassungen der Kunden, welche die Zahlungsfreigabe häufig sehr lange verzögern, bereits zu Prozessbeginn vermieden. Durch die vollständige Transparenz in den Prozessen der Kunden und Lieferanten können zu dem innovative Finanzierungsformen und Liquiditätshilfen nahezu „seamless“ gestaltet werden. Die gegenseitige Liquidität kann dann genutzt und so die gemeinsame Zusammenarbeit nachhaltig verbessert werden.
Eva Sartorius: Was sollte bei der Einführung der E-Rechnung unbedingt beachtet werden?
Dr. Donovan Pfaff: Damit die Unternehmen die Potenziale auch ausschöpfen können, geben wir Handlungsempfehlungen aus jahrelanger Projekterfahrung an die Hand. Die E-Rechnung ist sehr komplex und eine Einführung muss gut vorstrukturiert werden, denn es gibt unterschiedliche Rechnungs- und Übertragungsstandards. Außerdem sollten die Interdependenzen mit anderen Prozessen, wie Beschaffung und Zahlungsprozessen, Archivierung und dem Dokumenten-Management-System berücksichtigt werden. Die Faustregel ist hierbei, dass die E-Rechnung nie komplizierter werden sollte als eine Papierrechnung.
Unser Rat an Unternehmen ist, pragmatisch vorzugehen und sich frühzeitig mit den Themen zu befassen. Denn auch hier gilt das Sprichwort: Irgendwann ist irgendwann zu spät! Es wird dann häufig eine Übergangslösung umgesetzt, die erhebliche Kosten und Anstrengungen verursacht. Lieber das Thema einmal richtig und ganzheitlich angehen – und dann die Potenziale heben.
Eva Sartorius: Wie geht man denn bei einer digitalen Transformation am besten vor, um die Potenziale auszuschöpfen?
Dr. Donovan Pfaff: Auch ein digitaler Prozess wird von der Betriebswirtschaft bestimmt. Sie sollten hier nicht anders vorgehen, wie Sie es in der analogen Welt tun. Es hilft, immer mal einen Schritt zurückzutreten und die Dinge auch neu anzudenken. Was mache ich heute, was viel Zeit kostet und eigentlich keinen Nutzen stiftet? Was kann ich mit bekannten und vorhandenen Systemen lösen? Wir sprechen hier immer von der Inside-Out-Sicht, also der Sicht aus Ihrem Unternehmen heraus, und der Outside-In-Sicht, den Best Practice-Erfahrungen von Dritten.
Wichtig ist, dass die Technologie weiterhin nur das Schmiermittel für die Prozesse der Zukunft ist. Die Optimierung der Prozesse sollte daher vor der Digitalisierung erfolgen. Ganz wichtig ist: Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter mit und vermitteln Sie die Lust auf etwas Neues. Wir sprechen immer von einem Dreiklang zur Verbesserung Ihrer Financial Supply Chain, also all Ihrer Finanzprozesse: Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung. Als Beispiel: Digitalisierung ist einmal die Transformation von Papier in Daten. Also zum Beispiel das Scannen von eingehenden Rechnungen und dann das Auslesen der Daten. Die Automatisierung kann bereits eine formale und fachliche Freigabe ermöglichen, also die vollständige Prüfung im Hintergrund aufgrund von vorhandenen und zu ermittelnden Daten – zum Beispiel der Wareneingangsbuchung. Hier spielt die interne Financial Supply Chain eine wichtige Rolle.
Im Rahmen der Vernetzung kommen auch die Prozesse über die Unternehmensgrenzen hinweg zum Tragen, also beispielsweise die Verhandlung von Zahlungszielen in Realtime oder die Einbindung von Finanzdienstleistern zur Verbesserung des Working Capital. Diese Art der vollständigen Vernetzung ist sicherlich die Königsetappe, aber schon in einigen Unternehmen Realität. Dennoch: Packen Sie es jetzt an und sehen die elektronische Rechnung als Chance auf die Reise zu einer vollständig digitalen Financial Supply Chain.
Eva Sartorius: Da stimme ich Ihnen zu. Effiziente Prozesse zahlen sich am Ende in barer Münze aus. Denn mit einer digitalen Übertragung der Rechnung direkt bei der Erstellung oder Verbuchung stellen wir als Finanzierer sicher, dass die Liquidität dem Unternehmen sofort zur Verfügung steht. Wer diesen Vorteil strategisch nutzt, schafft es seine Kundenbeziehungen zu stärken und den eigenen Absatz zu steigern, – u.a. durch das Angebot von (längeren) Zahlungszielen. Es entsteht somit eine Win-Win-Situation bei Lieferanten und Abnehmern. Dank der digitalen Vernetzung sind die Angebote flexibel und individuell einsetzbar und schaffen unternehmerische Freiräume.
Eva Sartorius: Welche weiteren Tipps können Sie abschließend für die Einführung der E-Rechnung geben?
Dr. Donovan Pfaff: Unsere Erfahrungen zeigen, dass trotz der Verpflichtung zur E-Rechnung viele Unternehmen mit der Umsetzung nur zögerlich vorankommen – es sollte also rechtzeitig mit der Projektplanung begonnen werden. Außerdem müssen bei der Gestaltung des elektronischen Rechnungsaustauschs alle drei Ebenen der Standardisierung berücksichtigt werden: Inhalts-, Transport- und Prozessstandards. Enorm wichtig ist zudem Teamwork: Nur wenn alle Beteiligten optimal aufeinander abgestimmt sind, können die Vorteile der papierlosen Rechnungsstellung auch tatsächlich realisiert werden. Ein besonderer Tipp am Ende: Schauen Sie durchaus über den Tellerrand der Rechnung hinaus und diskutieren Sie, wie Ihnen eine elektronische Rechnung helfen kann – zum Beispiel bei der Finanzierung oder dem Working Capital Management.
Eva Sartorius: Beim Working Capital Management gibt es dann ja verschiedene Lösungsmöglichkeiten, die sich dem Unternehmen bieten. Deshalb sollte man direkt bei der Projektplanung für die E-Rechnung auch einen Finanzierungsexperten für Rechnungen hinzuziehen. Eine individuelle, flexible aber auch stabile Finanzierungslösung sollte das Ziel sein. Werden die Prozesse dafür nachhaltig umgesetzt, wird Ihr Unternehmen auch für kommende Aufgaben und eine sich zuspitzende Wettbewerbssituation gut aufgestellt sein. Vielen Dank, Herr Dr. Pfaff, für Ihre spannenden Ausführungen, die sicherlich bei vielen Entscheidungsträgern zum Nachdenken anregen werden, was Zukunftsfähigkeit für sie genau bedeuten kann.
Als Geschäftsführer der Bonpago beschäftigt sich Dr. Donovan Pfaff seit über 20 Jahren mit der Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen. Durch die Analyse von weit über 350 Unternehmen im In- und Ausland sowie aufgrund zahlreicher Forschungsprojekte und Aufträge in der Öffentlichen Verwaltung gilt er als Vordenker für die Digitalisierung. Mit seinem bereits im Jahre 2004 veröffentlichten Werk „Financial Supply Chain Management“ hat er die Entwicklungen zur stetigen Digitalisierung im Finanz- und Rechnungswesen mitgestaltet. Dr. Donovan Pfaff arbeitet in allen wichtigen nationalen und internationalen Foren zum elektronischen Rechnungsaustausch mit.