Unter Exportfinanzierung versteht man alle Maßnahmen, die inländische Exporteure treffen, um die Produktion ihrer Exportgüter zu ermöglichen und möglicherweise auftretende Auslandsrisiken zu minimieren. Neben der Finanzierung der Produktion umfasst eine Exportfinanzierung auch die Finanzierung der Transportdauer und der Zahlungsziele, sowie der Lagerung und Versicherung der Ware. Um näher darauf einzugehen, worauf es bei einer Exportfinanzierung in der Praxis ankommt, hat sich Eva Sartorius, Geschäftsleitung A.B.S. Global Factoring, mit Klaus Heil, Südconcept, getroffen und dem Experten einige spannende Informationen entlockt.
Eva Sartorius: Welche Instrumente der Exportfinanzierung begegnen Ihnen am häufigsten?
Klaus Heil: Für viele Unternehmen mit Exportbezug dürfte die Exportfinanzierung zumeist ein vom Kunden mitgebrachtes Vehikel sein. Das klassische Akkreditiv ist hier oft das Mittel der ersten Wahl, fallweise auch eine vom Kunden mitgebrachte Bankfinanzierung seiner Hausbank(en).
Eva Sartorius: Hat sich daran durch die Auswirkungen der Pandemie etwas geändert oder anders gesagt: Ist eine Exportfinanzierung für KMU schwieriger zu bekommen?
Klaus Heil: Das gegenwärtige wirtschaftliche Szenario könnte die Rahmenbedingungen für solche kundeninduzierte Finanzierungsinstrumente tatsächlich erschweren. So kann es beispielsweise sein, dass der Importeur aufgrund der strengeren Risikopolitik seiner Hausbank Einschränkungen bei der Vergabe von Avallinien oder bei der Eröffnung von Akkreditiven hinnehmen muss. Ich erlebe auch, dass länger laufende Exportkreditlinien hierdurch regelmäßig beeinträchtigt sind. Dies hätte zur Folge, dass das Unternehmen nur dann ein Geschäft abschließen kann, wenn der Exporteur eine Finanzierungsalternative anbietet. Das kann schnell zum Nachteil des deutschen Exporteurs werden, denn – oftmals asiatische – Mitbewerber bieten immer häufiger direkt eine Finanzierung des Exportgutes mit an.
Eva Sartorius: Dem wollen deutsche Exporteure bestimmt entgegenwirken. Welche Maßnahmen empfehlen Sie KMUs?
Klaus Heil: Mein Rat wäre, insbesondere im Hinblick auf die gegenwärtigen globalen Verwerfungen, dass die Exporteure eine ganzheitlichere Sicht auf zielführende Ansätze zur Kundenbindung und Kundengewinnung erwägen. Man sollte sich aktiv Gedanken machen, wie man seinem (Neu-) Kunden den Kauf des eigenen Exportgutes einfacher machen oder gar erst ermöglichen kann. Hierbei spielt das Thema Exportfinanzierung zukünftig sicher eine noch größere Rolle.
Eva Sartorius: Können Sie uns das an einem kurzen Beispiel erläutern?
Klaus Heil: Werfen wir einen kurzen Blick in die online Welt. Dort gibt es die Möglichkeit, eine Bestellung mit nur einem „klick“ komplett abzuschließen, ohne die mühselige Kleinarbeit, diverse individuelle Daten stets neu eingeben zu müssen. Die verkaufsorientierte Botschaft ist hier offenkundig, dem Kunden den Kauf so einfach wie möglich zu machen, also Customer Convenience. Wenn wir uns für einen Moment auf ein kleines Gedankenspiel einlassen, so könnte dies so aussehen: Eine Kaufentscheidung nimmt in aller Regel einen von 3 möglichen Zuständen ein. Entweder kauft man bei dem betreffenden Verkäufer auf jeden Fall, auf gar keinen Fall oder man ist unentschlossen. Die ersten beiden Zustände sind manifestiert. Beim dritten Zustand kann die Entscheidung des Käufers durch den Einsatz eines „add-on“ zugunsten des Verkäufers positiv gestaltet werden.
Dieses „add-on“ ist im internationalen Exportgeschäft beispielsweise eine Exportfinanzierung, die eine Kaufentscheidung oftmals zugunsten des Anbieters ausfallen lässt. Eine Finanzierung, die zudem längerfristig ausgelegt ist, versetzt den Importkunden umgehend in die Lage, die durch die längere Laufzeit generierten niedrigeren Rückzahlungsraten leichter aus seinen operativen Erlösen zu bedienen, mit den damit verbundenen positiven Auswirkungen auf seinen cash-flow. Während Akkreditive häufig mit einer Laufzeit bis 2 Jahre eingesetzt werden, kann die Exportfinanzierung je nach Volumen deutlich längere Laufzeiten anbieten. Diese liegen regelmäßig im Bereich zwischen 3 und 8 Jahren, können aber auch darüberhinaus gehen.
Gelingt es dem Exporteur, seinem Kunden eine individuelle Finanzierung anzubieten, signalisiert er, dass er fernab der Einigung über produktspezifische technische Fragestellungen, im Sinne eines ganzheitlichen Kundenmanagements agiert.
Der Exporteur kann also mit dem Angebot einer Exportfinanzierung, wirtschaftliche Kaufhemmnisse beim Kunden aus dem Weg räumen. Richtig eingesetzt, kann die offensiv angebotene Option dieser Finanzierung ein Vertriebsinstrument sein, welches beim Importeur den entscheidenden Impuls zur Bestellung auslöst und sollte deshalb in den Kundengesprächen einen festen Platz haben.
Eva Sartorius: Nun ist der inländische Exporteur üblicherweise nicht immer in der Lage aus eigener Kraft eine mittel- oder langfristige Finanzierung anzubieten. Wer sind die richtigen Partner und was ist zu beachten?
Klaus Heil: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Denn die hier angesprochenen Finanzierungen sind als transaktionsbezogene Lösungen ausgelegt. Das bedeutet, der jeweilige Financier betrachtet die konkret vorgestellte Finanzierungsanfrage als selbsttragendes Geschäft. Es geht nicht darum, dem KMU eine neue Bankverbindung zu offerieren, sondern eine konkrete Lösung für die Finanzierung eines vorgestellten Exportgeschäftes anzubieten. Wir arbeiten mit einer Vielzahl von Financiers mit unterschiedlichen inhaltlichen und regionalen Schwerpunkten zusammen. Dies eröffnet dem einzelnen KMU die Option, seinem Importeur Finanzierungsmöglichkeiten anzubieten, die vielfältig sind. So konnten wir beispielsweise durch einen Kooperationspartner die 7 – stellige Finanzierung eines Exports darstellen, obwohl der Importeur die üblicherweise angefragten Jahresbilanzen nicht zur Verfügung stellen konnte, denn es handelte sich um eine Neugründung. Es besteht zum Beispiel auch die Möglichkeit, in bestimmten Regionen die Finanzierung auf einem fast vergessenen Instrument des Außenhandels aufzubauen, dem Wechsel. Das sind nur 2 Beispiele der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten einer Exportfinanzierung, die im Einzelfall einen Export ermöglichen können, wo er mit den standardisierten Optionen der Finanzierung vielleicht nicht umsetzbar gewesen wäre.
Auf den Punkt gebracht geht einfach darum, dem Exporteur einen größeren Handlungsspielraum zu verschaffen, um seine Absatzmöglichkeiten im kompetitiven internationalen Wettbewerbsumfeld zu stärken.
Eva Sartorius: Vielen Dank für das informative Gespräch und die konkreten Anregungen.
Klaus Heil ist Inhaber der im Jahr 2004 gegründeten Firma SüdConcept. Nach seinem Studium zum Dipl. – Volkswirt war er in verantwortlichen Positionen für deutsche und amerikanische Versicherungskonzerne im Vertriebsaufbau und der Vertriebssteuerung tätig.
SüdConcept hat sich auf das Forderungsmanagement von Handelsforderungen spezialisiert. Hierzu gehören neben der Exportfinanzierung auch der Forderungsankauf von revolvierenden Portfolien, aber auch von zahlungsgestörten hohen Einzelforderungen aus Exportaktivitäten. SüdConcept unterstützt seine überwiegend aus dem Mittelstand kommenden Mandanten in Fragen rund um diese Bereiche. Durch die internationalen Kontakte steht dem einzelnen Mandant ein breiter Ansatz an individuellen Lösungsmöglichkeiten für seine Fragestellungen rund um das Forderungsmanagement bereit.