In wirtschaftlich angespannten Zeiten denken viele Unternehmen über den Abschluss einer Warenkreditversicherung nach. Sie schützt Unternehmen vor Forderungsausfällen. Versicherungsschutz besteht dabei für fällige und in Rechnung gestellte Forderungen aus Warenlieferungen, Werk- oder Dienstleistungen. Um zu erfahren, ob und wie sich die Zeichnungspolitik von Kreditversicherern pandemiebedingt verändert hat und worauf UnternehmerInnen achten sollten, hat sich Thorsten Klindworth, CEO der A.B.S. Global Factoring AG, mit Alexander Beuther, Leiter Abteilung Delkredere der R+V Versicherung Wiesbaden, getroffen.
Thorsten Klindworth: Herr Beuther, in den konjunkturstarken letzten Jahren hat die Warenkreditversicherung viele Unternehmen vor Zahlungsausfällen bewahrt und im Schadenfall für eine gute Liquidität gesorgt. Hat sich daran durch die Pandemie etwas geändert?
Alexander Beuther: Pandemiebedingt sind derzeit zahlreiche Unternehmen von steigenden Insolvenzrisiken betroffen. Durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.04.2021 sind die tatsächlichen Insolvenzzahlen aktuell noch gering, aber viele Experten prognostizieren einen Anstieg. Momentan wissen wir nicht, ob der Gesetzgeber die vielfältigen Stützungsmaßnahmen fortsetzt und wie stark einzelne Branchen bei einer Insolvenzwelle tatsächlich betroffen sein werden. Klar ist aber jetzt schon, dass trotz sinkender Insolvenzzahlen in 2020 die Höhe der Gesamtschäden um ca. 40 % ggü. Vorjahr zugenommen hat. Der Lockdown hat also doch deutliche Spuren hinterlassen. Laut einer kürzlich durchgeführten Studie (Creditreform 02/2021) hatte jeder dritte befragte Handwerksbetrieb in den letzten Monaten Umsatzrückgänge zu verkraften. Auch die Zahl der Unternehmen mit einer verschlechterten Eigenkapitalausstattung hat noch einmal um fast 20 % zugelegt.
Aus meiner Sicht ist daher eine Warenkreditversicherung aktuell geradezu unerlässlich, um das eigene Ausfallrisiko zu minimieren bzw. zu verhindern. Durch unsere Kreditprüfung und laufende Überwachung der Auftraggeber kann sich das Unternehmen ganz auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin weiß, woran sie ist, bevor sie einen Auftrag annimmt und sollte doch eine Forderung ausbleiben, erhält sie das Geld von uns.
Thorsten Klindworth: Während der Pandemie hatte der Bund der Versicherungswirtschaft Garantien über 30 Milliarden Euro gegeben. Ziel war es, die Lieferketten trotz hoher Risiken nicht abreißen zu lassen. Ab dem 30. Juni 2021 läuft dieser Schutzschirm aus. Da der Forderungsausfallschutz auch Teil unseres Full-Service Factoring Angebots ist, interessiert uns natürlich, wie sich die Warenkreditversicherer dann verhalten werden. Werden Sie die Risiken weiter mittragen und entsprechende Limite wie vor Corona zeichnen oder ziehen Sie sich pandemie-bedingt zurück?
Alexander Beuther: Das Auslaufen des Schutzschirmes bedeutet für uns keine Zäsur!
Niemand kann seriös vorhersagen, wie sich die Konjunktur entwickeln wird. Was wir aber sicher sagen können, ist, dass wir unserer bisherigen Zeichnungspolitik treu bleiben werden. Unsere aktuelle Kreditprüfung hängt nicht vom auslaufenden Schutzschirm ab. Alle unsere Limitentscheidungen sind einzelfallbezogen. Das bedeutet, Limitreduzierungen nehmen wir nur in begründeten Fällen, individuell und nicht pauschal für eine Branche vor. Wir wollen als Kreditversicherer, und das gilt auch gerade für wirtschaftlich schwierige Zeiten, ein verlässlicher Partner der Unternehmen sein. Entscheidend ist dabei nach wie vor eine solide Zeichnungspolitik. Limitreduzierungen oder Limitstreichungen sind eine wichtige Warnfunktion für den Kunden, um ggfs. Zahlungsbedingungen frühzeitig anzupassen und zukünftige Aufträge entsprechend zu gestalten.
Unsere Warenkreditversicherung ist modular aufgebaut und wird individuell nach den Bedürfnissen des Kunden gestaltet. Guter Versicherungsschutz zeichnet sich durch maßgeschneiderte Lösungen für das Unternehmen aus. Von zentraler Bedeutung ist dabei auch eine ausreichende Jahreshöchstentschädigung, damit beim Ausfall mehrerer Kunden oder hoher Forderungen die eigene Liquidität gewährleistet bleibt.
Zudem bieten wir einen Vertrauensschutz bei zugesagten Kreditlimiten. Sollte also ein Limit aufgrund einer Bonitätsverschlechterung aufgehoben werden, stehen wir trotzdem zu dem zugesagten Limit bis zum Ende des Werk- oder Liefervertrags, wenn der Kunde ihn nicht vorzeitig beenden kann. Das gibt Sicherheit. Ein weiterer Aspekt ist der Nichtzahlungstatbestand. Durch ihn erhält der Kunde nicht erst bei Insolvenz des Auftraggebers sein Geld, sondern bereits bei dessen Zahlungsverzug. Diesen Versicherungsfall bieten wir nicht nur in Deutschland an, sondern außerdem in 11 ausgewählten europäischen Ländern.
Thorsten Klindworth: Hat das Auslaufen des Schutzschirmes auch Auswirkungen auf die Preise?
Alexander Beuther: Sind erst einmal Schäden vorhanden, ist klar, dass sich dies auf den Preis einer Police auswirkt. Umso wichtiger ist es, frühzeitig eine Warenkreditversicherung abzuschließen, um damit vorausschauend vorzusorgen. Insgesamt kann man sagen, dass sich das Prämienniveau – nach einem dauerhaften Rückgang in der Vor-Corona-Zeit – stabilisiert bzw. leicht erhöht hat.
Thorsten Klindworth: Wenn man den Markt ein wenig beobachtet, so fällt einem der Bedarf an einfachen und auch digitalen Absicherungsmöglichkeiten auf. Welche Trends sehen Sie hier?
Alexander Beuther: Insbesondere große Unternehmen suchen derzeit verstärkt nach Möglichkeiten zur Einbeziehung ihrer Tochterunternehmen. Sie wünschen sich dazu Rahmenvertragslösungen, die einfach in der Handhabung sind und von uns angeboten werden. Zudem etablieren sich vermehrt digitale Plattformen am Markt. Ein Beispiel dafür ist crebita.de.
Der Assekuradeur “crebita” bietet seit gut zwei Jahren die Möglichkeit zur online-Absicherung von Einzelrisiken bzw. Top-up-Deckungen an. Für diese Dienstleistung wird vollautomatisch auf Datenbanken von Wirtschaftsauskunfteien zurückgegriffen, so dass viele Limitentscheidungen quasi in Echtzeit möglich sind – ein schneller und schlanker Prozess. R+V ist hier als Risikoträger involviert.
Thorsten Klindworth: Gibt es neben dem digitalen Angebot noch weitere besondere Leistungen, mit denen Sie Ihre Kunden unterstützen?
Alexander Beuther: In den vergangenen Jahren haben wir uns intensiv mit den Themen beschäftigt, die für unsere Kunden eine optimale Absicherung bieten und verschiedene Deckungsvarianten am Markt platziert:
Digitalisierung spielt ebenfalls eine große Rolle. Die große Mehrheit unserer Kunden nutzt gerne unser Online-Portal, um geräte- und ortsunabhängig flexibel auf spontane Aufträge reagieren zu können. Außerdem bieten wir für große Unternehmen die technische Anbindung der Buchhaltung an unser System an.
Thorsten Klindworth: Zum Schluss Ihr Rat an KMU – Welche 3 Tipps würden Sie KMU in der aktuellen Situation gerne mit auf den Weg gebe, damit die Liquiditätsausstattung optimal ist?
Alexander Beuther:
Alexander Beuther ist verantwortlicher Abteilungsleiter für die Warenkreditversicherung in der R+V Versicherungsgruppe.
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